Tokio Hotel: Teenie-Band mit Welterfolg
Vier Jungs aus Loitsche, einem Dorf bei Magdeburg, gehören zu den
erfolgreichsten Bands der deutschen Musikgeschichte. Über 6 Millionen
Alben hat das Quartett um die Brüder Tom und Bill Kaulitz bislang
verkauft. Hysterische
Teenie-Fans, Charterfolge und ausverkaufte Hallen. Und das nicht nur in
Deutschland. Die vier Jungs von Tokio Hotel sind mittlerweile auch
weltweit erfolgreich.
Seit ihrer Kindheit
machen die beiden Zwillinge Bill und Tom Kaulitz zusammen Musik. Ihr
Stiefvater förderte das Talent der beiden und ließ sie bereits im Alter
von neun Jahren auftreten. Bei einem dieser Konzerte lernten die
Kaulitz-Brüder auch ihre jetzigen Bandmitglieder und Freunde kennen.
Unter dem Namen "Devilish" spielten sie in der lokalen Clubszene und bei
Bandwettbewerben mit. Vor sieben Jahren begann dann die steile Karriere
der Band. Nachdem Sänger Bill Kaulitz 2003 bei einem Casting-Wettbewerb
mitgemacht hatte, wurde er von einem Musikproduzententeam entdeckt.
Erfolg nach Plan Zwei Jahre lang
arbeitete man mit Tokio Hotel im Studio am Debütalbum und verpasste
ihnen Gesangs- und Instrumentalunterricht. Der Erfolg war
vorprogrammiert, denn mit seinem androgynen Aussehen und den schrillen
Klamotten war Bill Kaulitz dafür prädestiniert, von der
Teenie-Zeitschrift Bravo ins rechte Licht gerückt zu werden. Von Anfang
an berichtete das Münchener Magazin über jeden Schritt von Tokio Hotel.
"Deutschlands neue Superstars" titulierte die Bravo – bevor überhaupt
ein Song veröffentlicht worden war. Kein Wunder, dass die Debütsingle
"Durch den Monsun" es auf Anhieb an die Spitze der Charts schaffte. "Wir
hatten unglaubliches Glück", freute sich der damals 15-jährige Bill
Kaulitz. "Es ist ja schwer, an die richtigen Leute zu geraten."
Sänger Bill Kaulitz lässt Mädchenherzen höher schlagen Glück und harte Arbeit –
das ist das Erfolgsrezept des ostdeutschen Quartetts. Denn sie wurden
von ihrem Management und ihrer Plattenfirma von einem Interview zum
nächsten gescheucht. In den Jahren 2005 bis 2008 konnte kein Mensch in
Deutschland an der Band vorbei. Ob er wollte oder nicht.
Protagonisten der Emo-Kultur Selbst das eher
kritische Nachrichtenmagazin "Stern" berichtete unter dem Titel "Nirvana
für Teenies" in einer längeren Reportage über die Band. Vor allem
Sänger Bill Kaulitz stand im Fokus des Medieninteresses; mit seinen
angemalten Augenlidern, den zu Stacheln hoch toupierten Haaren, einem
Zungenpiercing und coolen Klamotten verkörpert er das angehimmelte Idol
der meist weiblichen Fans.
Gefühle zeigen zu
harter Rockmusik - so könnte man Tokio Hotel musikalisch auf den Punkt
bringen. Denn in der sogenannten "Emo-Kultur" ist es angesagt, seinen
"Emos", also seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Vor allem die Texte
treffen den Nerv der Mädchen. Sie handeln vom realen Leben, drehen sich
um Wut, Liebe und Schmerz und sind zum Teil autobiographisch. Denn die
Eltern der beiden Kaulitz-Brüder trennten sich, als sie noch Kinder
waren.
Geliebt, gehasst und weltweit gefeiert Warten auf die SuperstarsViele
Fans rufen auch viele Neider hervor. Entweder liebt man die Band
abgöttisch oder lehnt sie konsequent ab. Comedians persiflierten den
Look der Band, und im Internet tauchten immer wieder regelrechte Tokio
Hotel-Hasskampagnen auf. 2006 wurde Bill Kaulitz in einer Fernsehsendung
sogar zum "nervigsten Deutschen" gewählt. Trotzdem blieben Tokio Hotel
weiterhin erfolgreich. Sie räumten sämtliche deutschen Musikpreise ab
und begannen ihren Siegeszug im Ausland. In Frankreich sind Tokio Hotel
inzwischen Megastars, in Südamerika haben sie eine große Fangemeinde,
und selbst in den USA schaffte das Quartett mit den letzten beiden Alben
den Sprung in die Top 40. Und in Israel unterschrieben 6000 Fans eine
Petition, damit die Band ein Konzert in ihrem Land spielt – mit Erfolg.
Auch wenn die
Magdeburger inzwischen ihre Alben teilweise in englischer Sprache
aufnehmen, haben sie ihre Fans weltweit dazu gebracht, Deutsch zu
lernen. In den letzten beiden Jahren ist es allerdings etwas ruhiger um
Tokio Hotel geworden. Die Band engagierte sich für einige
Benefizprojekte, und Sänger Bill Kaulitz lief für einen Designer über
den Laufsteg der Mailänder Modewoche. Doch von Bandauflösung ist nicht
die Rede, und da die Jungs auch musikalisch ihr Handwerk verstehen, ist
ein Ende der Karriere bislang nicht in Sicht.
Autor: Ralf Kennel
Redaktion: Matthias Klaus